Liebe Leserinnen und Leser

Gleich mehrere Beiträge befassen sich aus unterschiedlicher Perspektive mit aktuellen Fragen der Justizaufsicht. So zeigt Thomas Gächter das Verhältnis gerichtlicher Aufsicht und parlamentarischer Oberaufsicht über die Justiz, insbesondere über das Bundesstrafgericht, auf. Filippo Gianoni äussert sich kritisch zu einzelnen Aspekten der Aufsicht des Bundesgerichts über die erstinstanzlichen Gerichte des Bundes und schlägt Lösungsmöglichkeiten vor. Markus Metz vergleicht die Aufsicht des Bundesgerichts über die erstinstanzlichen Gerichte des Bundes mit der Aufsicht der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft und zeigt Reformvorschläge auf. Der Beitrag von Daniel Peier vermittelt eine Übersicht über die Praxis der Justizaufsicht im Kanton Bern.

Pietro Angeli-Busi befasst sich mit der Deontologie des Richters und weist auf die Bedeutung hin, dass jedes Gericht über eine Ethik-Charta verfügen sollte. Arnold F. Rusch skizziert Optimierungsmöglichkeiten der gerichtlichen Sachverhaltsdarstellung in Urteilen. Die Abhandlung von Johannes Riedel zum Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof ist auch mit Blick auf die im vorgeschlagenen institutionellen Rahmenabkommen Schweiz – EU vorgesehene Zuständigkeit von Interesse.

Vier Rezensionen vermitteln eine Übersicht über aktuelle Publikationen: Stephan Gass nimmt die primär aus der Sicht der österreichischen Justiz verfasste Publikation von Oliver Scheiber, Mut zum Recht - Plädoyer für einen modernen Rechtsstaat, zum Anlass für eine Rezension. Christian Kölz bespricht das Buch zur Verfassungsauslegung des amerikanischen Supreme Courts: Lawrence Lessig, Fidelity & Constraint, How the Supreme Court Has Read the American Constitution. Sonia Giamboni rezensiert den Dictionnaire de la Médiation et d’autres modes amiables, welcher von zahlreichen Fachleuten unter der Leitung von Jean A. Mirimanoff zusammengestellt wurde. Und Hans-Jakob Mosimann vermittelt einen Überblick über das Buch von Jessica Milner Davis und Sharyn Roach Anleu (eds.), Judges, Judging and Humour.  

Yvonne Summer weist auf den Ruhestand-bedingten Nachwuchsbedarf an Richterinnen und Richtern in der österreichischen Justiz hin. Roland Kempfle berichtet über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Richterbesoldung. Das Venice Commission Observatory stellt wiederum eine Auswahl internationaler Medienberichte zur Rechtsprechung von Verfassungsgerichten zur Verfügung. 

Das 52. Update der Bibliografie enthält zahlreiche neue Publikationen in Themenbereichen der Richterzeitung.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

Stephan Gass, Sonia Giamboni, Andreas Lienhard, Hans-Jakob Mosimann, Annie Rochat Pauchard, Thomas Stadelmann

 

Hinweis: Am 28. August 2020 fand das Webinar der Richterzeitung zum Thema «COVID-19 und Judikative» statt. Sie finden die Aufnahme des YouTube-Livestreams hier.

Science
Knarren im Gebälk
Thomas Gächter
Thomas Gächter
In den letzten Monaten wurde viel über die Verhältnisse in der Schweizer Justiz berichtet, namentlich über jene am Bundesstrafgericht. Zu reden gab vor allem ein dieses Gericht betreffender Aufsichtsbericht der Verwaltungskommission des Bundesgerichts. Einige Kontroversen in diesem Umfeld zeigen, dass eine vertiefte Klärung der verschiedenen Aufsichtskompetenzen und deren Bedeutung Not tut. Welche Rolle kommt den verschiedenen Akteuren bei der Aufsicht über ein erstinstanzliches Bundesgericht zu? Und kann durch einen Aufsichtsbericht, der bestimmbare Personen auch namentlich nennt, das rechtliche Gehör der Genannten verletzt werden?
Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof
Johannes Riedel
Johannes Riedel
Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 hat in Deutschland und darüber hinaus in Europa heftige fachliche und politische Diskussionen ausgelöst. Der Verfasser dieses Beitrages ist kein Verfassungs- oder Europarechtler und schon aus diesem Grunde wie auch wegen des Umfangs der Fachdiskussion nicht in der Lage, hierzu im Einzelnen Stellung zu nehmen. Der Beitrag vollzieht vielmehr lediglich die Gedankengänge der Entscheidung nach und soll darüber hinaus – aus der Sicht eines juristischen Generalisten – die Methodik des Vorgehens des Bundesverfassungsgerichts hinterfragen.
Forum
Die Aufsicht des Bundesgerichts über die erstinstanzlichen Bundesgerichte
Filippo Gianoni
Filippo Gianoni
Der Beitrag knüpft an das jüngste aufsichtsrechtliche Verfahren betreffend Vorkommnisse am Bundesstrafgericht an, welche Gegenstand des Berichts der Verwaltungskommission des Bundesgerichts vom 5. April 2020 waren. Er befasst sich mit den Grundzügen des Verfahrens zur Aufsicht über die erstinstanzlichen Bundesgerichte, beschreibt dessen Grenzen, zeigt kritische Punkte auf und schlägt Lösungsmöglichkeiten vor.
Aufsicht in der Justiz
Markus Metz
Markus Metz
Der Beitrag vergleicht die über die erstinstanzlichen Gerichte des Bundes und über die Bundesanwaltschaft ausgeübte Aufsicht. Er präsentiert grundsätzliche Überlegungen und Reformvorschläge betreffend die Aufsicht und insbesondere das Auswahlverfahren.
Gerichtsaufsicht in der Praxis
Daniel Peier
Daniel Peier
Der Autor beleuchtet praktische Aspekte der Gerichtsaufsicht. Die Gerichtsaufsicht legitimiert sich durch eine strikte Zweckbindung und Zweckeignung. Sie legitimiert sich auch dadurch, dass sie sich ihre eigenen Risiken bewusst macht. Dergestalt trägt die Gerichtsaufsicht dazu bei, die verfassten Unabhängigkeiten der Judikative zu gewährleisten.
Optimierung der gerichtlichen Sachverhaltskommunikation in Urteilen
Arnold F. Rusch
Arnold F. Rusch
Die unnötig komplizierten und dazu noch anonymisierten Sachverhalte in den Urteilen unserer Gerichte sind ein konstantes Ärgernis und verhindern eine schnelle Erfassung des relevanten Sachverhalts. Der vorliegende Artikel sucht Lösungen, wie die Gerichte die Sachverhalte in den Urteilen verständlich und einfach fassbar vermitteln können.
Kolumne SVR
La deontologia del magistrato
Pietro Angeli-Busi
Pietro Angeli-Busi
Il giudice non può semplicemente affidarsi ad una percezione soggettiva del «bene agere». È quindi utile che un’istituzione giudiziaria possa riflettere con i suoi membri a delle linee guida, al fine di regolare e dirigere la condotta personale del magistrato.
Literature
Rezension: Oliver Scheiber, Mut zum Recht. Plädoyer für einen modernen Rechtsstaat.
Stephan Gass
Stephan Gass
Verfassungsauslegung und institutionelle Verantwortung (Rezension)
Christian Kölz
Christian Kölz
Die Urteile des amerikanischen Supreme Court werden regelmässig auf die politischen Überzeugungen der Richterinnen und Richter zurückgeführt, was dem Ansehen des Gerichts schadet und die Legitimität seiner Rechtsprechung in Frage stellt. Lawrence Lessig präsentiert in seinem neuen Buch einen bemerkenswerten eigenen Erklärungsversuch. Gemäss diesem kann die Rechtsprechung nur verstanden werden, wenn man berücksichtigt, dass das Gericht einerseits danach strebt, die Verfassung inhaltlich richtig auszulegen, und andererseits, seine Rolle in der amerikanischen Verfassungsordnung zu finden und zu bewahren.
Recensione: Dictionnaire de la Médiation et d’autres modes amiables
Sonia Giamboni
Sonia Giamboni
La mediazione e gli altri modi di risoluzione amichevole dei conflitti rappresentano una valida, e sempre più riconosciuta, alternativa all’avvio di un’azione giudiziaria. Il Dictionnaire de la Médiation et d’autres modes amiables costituisce un’importante strumento, elaborato nell’ottica di far conoscere questo modo di risoluzione dei litigi, che permette alle parti di riappropriarsi delle proprie controversie e di elaborarle per giungere alla definizione di una soluzione che, sotto molti punti di vista, è da preferire alla pronuncia di un’autorità giudiziaria.
Rezension: Judges, Judging and Humour
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Was haben Justiz und Humor miteinander zu tun? Offenbar immerhin so viel, dass dazu eine Publikation mit anregenden Beiträgen aus mehreren Ländern entstehen kann, in denen das Thema aus juristischer und aus sozialwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet wird. Der vorwiegend theoriegestützte, analytische Blickwinkel wird auf das Angenehmste durch konkrete Beispiele für praktizierten Humor aufgelockert.
Bibliografie zum Richterrecht – Update 52
Juria
Juria
Das 52. Update der Bibliografie enthält die seit der Ausgabe 2006/4 von «Justice – Justiz – Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätze im Themenbereich der Richterzeitung.
News abroad
Nachwuchs (dringend) gesucht
Yvonne Summer
Yvonne Summer
Die geburtenstarken Jahrgänge werden in den nächsten Jahren in Ruhestand treten. Mit dieser Pensionierungswelle sieht sich nicht nur die österreichische Justiz, sondern der gesamte Arbeitsmarkt konfrontiert.
(Nichts) Neues aus Deutschland: Richterbesoldung verfassungswidrig
Roland Kempfle
Roland Kempfle
Das Bundesverfassungsgericht erklärt Regelungen über die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten in Berlin und über die Alimentation kinderreicher Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig. Der Verfasser stellt die wesentlichen Eckpunkte der Entscheidungen dar und wirft einen kritischen Blick auf die Praxis der Richterbesoldung in Deutschland.
Medienberichterstattungen über weltweite Verfassungsgerichtsbarkeit, die Justiz betreffend (Update 14)
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Die nicht abschliessende Auswahl internationaler Medienberichte soll den Leser hinsichtlich der Rechtsprechung von Verfassungsgerichten im Aufgabenbereich der Justiz an sich informieren.