Liebe Leserinnen und Leser

Soll Justitia – über ihre Urteile hinaus – kommunizieren? Die traditionelle Haltung, dass Gerichte zu schweigen haben, wenn das Urteil einmal gefällt ist, findet nicht mehr uneingeschränkt Zuspruch, die genannte Frage wird zunehmend bejaht: Die Gerichte sollen in eigener Sache aktiv und gezielt mit Informationen nach aussen, also an die Medien, gelangen.

In der vorliegenden Ausgabe befassen sich zwei Beiträge mit dem Verhältnis der Gerichte zur Oeffentlichkeit. Dr. iur. Marianne Ryter ist Richterin am Bundesverwaltungsgericht, das mit einzelnen Entscheiden und als jüngstes Gericht des Bundes relativ oft das Interesse der Medien auf sich zieht. Sie zählt auch die Rechtssuchenden und das Parlament zur Öffentlichkeit und plädiert bezüglich der Medien für eine proaktive Information bei Entscheiden, die gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Bedeutung haben. Dies, weil so die Chancen verbessert werden, dass (auch) die juristisch relevanten Aspekte wahrgenommen werden.

Ganz ähnlich sind die Überlegungen von Dr. iur. Denis Masmejan, der als promovierter Jurist, Mitglied der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) und gleichzeitig aktiver Journalist aus einer anderen Optik argumentiert. Systematisch und an einem packenden Beispiel analysiert er das Verhältnis der Justiz zu den Medien, und stellt zum Schluss die anregende Frage, ob Gerichte oder einzelne ihrer Angehörigen nicht mit einem Blog den Diskurs fördern könnten oder gar sollten.

Auch die Vereinigung der Richterinnen und Richter pflegt die Öffentlichkeit: Der Beitrag von Denis Masmejan ist die schriftliche Fassung des Referats, das er am 7. November 2008 anlässlich des nunmehr dritten «Tages der Richterinnen und Richter» in Luzern gehalten hat. Gleiches gilt für den Beitrag von Antoinette de Weck, Rechtsanwältin und Präsidentin des Justizrats des Kantons Freiburg. Mit dem Freiburger «Conseil de la magistrature» ist ein Organ zur Diskussion gestellt, das in den lateinischen Nachbarländern seit langer Zeit das Grundmodell der Aufsicht über die Justiz und ihre Angehörigen sowie deren Auswahl darstellt.

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.

Anne Colliard, Stephan Gass, Regina Kiener, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli 

EDITORIAL
Editorial der Ausgabe 2008/4
Redaktionsteam / Equipe de rédaction / Redazione
Redaktionsteam / Equipe de rédaction / Redazione
Editorial de l’édition 2008/4
Redaktionsteam / Equipe de rédaction / Redazione
Redaktionsteam / Equipe de rédaction / Redazione
SCIENCE
Election, réélection et surveillance : rencontre des pouvoirs judiciaire et politique
Antoinette de Weck
Antoinette de Weck
La compréhension des jugements par le grand public
Denis Masmejan
Denis Masmejan
FORUM
Justiz und Öffentlichkeit – ein paar Gedanken
Marianne Ryter
Marianne Ryter
Überlegungen zum Wissensmanagement (Teil 2)
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Sarah Montani
Sarah Montani
In diesem Beitrag werden Wissenslandkarten vorgestellt. Ziel von Wissenslandkarten ist, durch die Visualisierung Transparenz über betriebsinternes Wissen zu schaffen. Durch die Erhöhung der Wissenstransparenz können Wissenslandkarten die bessere Nutzung vorhandenen Wissens fördern. Wissenslandkarten können bei der Suche nach dem richtigen Wissensträger, bei der Suche nach einer Dateninsel, bei der Planung von Teamzusammensetzungen oder Jobbesetzungen eingesetzt werden. Sie können zur Festlegung von Weiterbildungsmassnahmen einzelner Mitarbeiter beigezogen werden und die Entscheidungsgrundlage für strategische und strukturelle Fragestellungen bilden.
Gutachten zur Nichtwiederwahl von Richterinnen und Richtern
Juria
Juria
JUDICATURE
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Carlson gegen die Schweiz
Daniel Rietiker
Daniel Rietiker
Ablehnung eines Oberrichters im Berufungsverfahren
Juria
Juria
Ablehnung eines Oberrichters im Berufungsverfahren; Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Anspruch auf einen unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter (E. 2.1). Referentensystem; die Meinungsbildung des Referenten beeinträchtigt seine Unvoreingenommenheit nicht (E. 2.3). Mitteilung einer vorläufigen Auffassung des Referenten im Allgemeinen (E. 2.4). Die Mitteilung der vorläufigen Auffassung und der beabsichtigten Antragsstellung an den Rechtsvertreter vor Durchführung der Berufungsverhandlung und auf Initiative des Referenten hin lässt diesen als voreingenommen erscheinen (E. 2.6).
Drei Urteile betreffend Ausstand
Juria
Juria
Nachfolgend werden drei kürzlich ergangene Urteile des Bundesgerichts wiedergegeben. In Urteil 2C_107/2008 vom 24. Oktober 2008 wurde die Abweisung eines Ausstandsgesuches durch das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg bestätigt. In Urteil 1B_281/2008 vom 28. Oktober 2008 wurde die Ablehnung eines Bundesrichters und eines Kantonsrichters aufgrund offensichtlicher Missbräuchlichkeit bzw. Unzulässigkeit abgewiesen. Urteil 4A_176/2008 vom 23. September 2008 wird die vorschriftswidrige Zusammensetzung eines internationalen Schiedsgerichts gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verneint.
NEWS CH
NW: Teilrevision der Prozesskostenverordnung
Marcus Schenker
Marcus Schenker
Der Kanton Nidwalden passt die Prozesskosten den heutigen Verhältnissen an. Die Änderung der Prozesskostenverordnung trat am 1. Oktober 2008 in Kraft.
TI: Avvicendamenti personali nella magistratura ticinese
Emanuela Epiney-Colombo
Emanuela Epiney-Colombo
Nuovi arrivi nel Ministero pubblico con l’elezione di due sostituti Procuratori pubblici.
SO: Umfrage der Gerichtsverwaltungskommission unter der Anwaltschaft zur Zufriedenheit mit den Gerichten
Pascal Haussener
Pascal Haussener
Im Jahr 2008 liess die Gerichtsverwaltungskommission des Kantons Solothurn eine Umfrage bei der Anwaltschaft durchführen, um Aussagen über die Zufriedenheit mit den solothurnischen Gerichten zu erhalten. Im Folgenden hält der Gerichtsverwalter des Kantons Solothurn, Roman Staub, die Ergebnisse und Umstände der Umfrage fest.
Richterakademie: Lehrgang Judikative vor dem Start
Hansjörg Seiler
Hansjörg Seiler
In den Nummern 2007/1 und 2007/4 von «Justice – Justiz – Giustizia» wurde bereits über den Verein «Schweizerische Richterakademie» orientiert, der sich zum Ziel gesetzt hat, einen Zertifikatslehrgang «Judikative» durchzuführen.
Befangener Bundesrichter in Steuersachen
Juria
Juria
Nachfolgend wird eine Interpellation von Nationalrat Hans Kaufmann (SVP, ZH) mit dem Titel «Befangener Bundesrichter in Steuersachen» mitsamt Antwort des Bundesgerichts wiedergegeben.
Prévention des juges fédéraux en matière fiscale
Juria
Juria
Voici l'interpellation déposée par le Conseiller national Hans Kaufmann (UDC, ZH) sous le titre « Prévention des juges fédéraux en matière fiscale » et la réponse du Tribunal fédéral.
Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht gehen in der Informatik getrennte Wege
Juria
Juria
Das Plenum des Bundesverwaltungsgerichts hat am 30. Oktober 2008 entschieden, seine Informatikdienstleistungen künftig nicht mehr beim Bundesgericht zu beziehen. Zeitpunkt und Modalitäten des Wechsels sind in den nächsten Wochen zu bestimmen. Das Bundesgericht bedauert den Entscheid.
Le Tribunal administratif fédéral et le Tribunal fédéral se séparent en matière informatique
Juria
Juria
La Cour plénière du Tribunal administratif fédéral a décidé le 30 octobre 2008 qu'à l'avenir celui-ci n'aurait plus recours aux services du Tribunal fédéral pour ses prestations informatiques. Les délais et les modalités de ce changement seront déterminés au cours des prochaines semaines. Le Tribunal fédéral regrette cette décision.
Erhöhung der Anzahl Richterstellen am Bundesstrafgericht
Juria
Juria
Die Gerichtskommission stimmt einem Gesuch des Bundesstrafgerichts um eine Erhöhung der Anzahl Richterstellen auf das gesetzliche Minimum zu. Die Vereinigte Bundesversammlung wird somit in der Frühjahrsession 2009 drei zusätzliche Mitglieder des Bundesstrafgerichts wählen können.
Augmentation du nombre de juges au Tribunal pénal fédéral
Juria
Juria
La Commission judiciaire de l’Assemblée fédérale a approuvé une demande du Tribunal pénal fédéral (TPF) visant à augmenter le nombre des postes de juges afin qu’il atteigne l’effectif minimal prévu par la loi. L’Assemblée fédérale élira ainsi trois juges supplémentaires à la session de printemps 2009.
Vier neue Mitglieder ans Bundesgericht gewählt
Juria
Juria
Das Parlament hat Frau Martha Niquille-Eberle, Frau Brigitte Pfiffner Rauber, Herrn Marcel Maillard und Herrn Nicolas von Werdt für die Nachfolge der vier zurücktretenden Bundesrichterinnen und Bundesrichter gewählt. Bei der Ergänzungswahl ans Bundesverwaltungsgericht wurde Frau Muriel Beck Kadima gewählt.
Renouvellement du Tribunal fédéral
Juria
Juria
Quatre nouveaux juges siègeront au Tribunal fédéral dès 2009. Les cartes ont été redistribuées entre les partis compte tenu de leur force électorale.
Bundesrat will alleinige Aufsicht über Bundesanwaltschaft
Juria
Juria
Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft soll verbessert werden. Sie wird deshalb nach der am 10. September 2008 vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zum Strafbehördenorganisationsgesetz in Zukunft ausschliesslich durch den Bundesrat ausgeübt werden. Gleichzeitig gewährleisten dessen eingeschränkte Weisungsbefugnisse die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden.
Un Ministère public indépendant sous une surveillance unifiée
Juria
Juria
Afin d’améliorer la surveillance du Ministère public de la Confédération (MPC), le message approuvé ce mercredi prévoit de la concentrer à l’avenir entre les mains du seul Conseil fédéral. Il fixe cependant des limites claires au pouvoir de ce dernier de donner des instructions, dans le dessein de garantir l’indépendance du MPC.
NEWS ABROAD
Fürstentum Liechtenstein – Richterdienstgesetz
Lothar Hagen
Lothar Hagen
In der Ausgabe der Schweizer Richterzeitung 2008/2009 habe ich über das neue Gerichtsorganisationsgesetz im Fürstentum Liechtenstein berichtet. Gleichzeitig mit dem neuen Gerichtsorganisationsgesetz ist am 1. Juli 2008 auch das Richterdienstgesetz in Kraft getreten.
Der Beirat europäischer Richter
Ulrich Meyer
Ulrich Meyer
General Comment Nr. 32 zu Artikel 14 Pakt II: Fair Trial
Nina Schrepfer
Nina Schrepfer
Der UNO-Pakt II über die bürgerlichen und politischen Rechte enthält in Art. 14 Garantien für das Verfahren. Art. 14 Pakt II ist vom Wortlaut her mit Art. 6 EMRK identisch, jedoch, insbesondere wegen des Fehlens des Individualbeschwerderechts an den Ausschuss nach Genf, weniger populär in der Schweiz.
Gute Bewertung der Schweizer Justiz durch den Europarat
Jacques Bühler
Jacques Bühler
La justice suisse bien notée par le Conseil de l'Europe
Jacques Bühler
Jacques Bühler
Situation in South Africa
Cagney John Musi
Cagney John Musi
The Department of Justice and Constitutional Development endeavored to amend the Constitution of the Republic of South Africa 1996 (The Constitution). The intention to amend the Constitution was published by way of a General Notice in Government Gazette number 28334 dated 14 December 2005.
LITERATURE
Rezension: Tagungsband «Präjudiz und Sprache»
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Der Titel täuscht: Das Buch ist weit praxisnaher und anregender, als seine etwas gespreizt anmutende Überschrift vermuten liesse. Es handelt sich um die Referate und Diskussionsvoten des ersten Kolloquiums der Peter Häberle Stiftung, das 2005 an der Universität St. Gallen stattfand. Dreizehn Referate und die Voten aus dem kleinen, aber hochkarätig besetzten Publikum bilden einen bunten Strauss von Beiträgen zu Aspekten letztinstanzlicher Grundsatzurteile, ihren Entstehungsprozess, ihren Stellenwert, und die an sie gestellten Anforderungen und Erwartungen. Ein besonderer Reiz liegt in den wörtlich erfassten Diskussionsvoten: Sie machen die Lektüre so lebendig, dass man selber hätte dabei sein wollen.
Bibliografie zum Richterrecht – Update 8
Juria
Juria
«Justice – Justiz – Giustizia» publiziert eine Übersicht über neu erschienene Monografien und Artikel in Fachzeitschriften und Festschriften, welche zu Themen rund um die Judikative erschienen sind.
ASSOCIATIONS
EAJ-AEM: Herbsttagung der Europäischen Richtervereinigung
Stephan Gass
Stephan Gass
Vom 7. bis 11. September 2008 fand in Eriwan, Armenien, das zweite diesjährige Treffen der Europäischen Richtervereinigung statt. Vertreter 31 nationaler Richtervereinigungen beschäftigten sich unter anderem mit Fragen der EU-Justiz, mit den Berichten der Arbeitsgruppen und mit der Situation der Justiz in Polen, Schweden, Mazedonien, Frankreich, Italien und Slowenien. Im Weiteren nahm die Versammlung neue Mitgliedervereinigungen auf und wählte einen neuen Präsidenten. An der Konferenz in Eriwan vertraten der Präsident Thomas Stadelmann sowie der Schreibende die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter.
Sollen Richterinnen und Richter reden?
Hans-Ulrich Gerber
Hans-Ulrich Gerber
Am Freitag 7. November 2008 fand in Luzern zum dritten Mal der Tag der Richterinnen und Richter statt. Im Zentrum standen die richterliche Kommunikation und die Justizaufsicht.
Verhältnis zwischen Exekutive und Judikative
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Diskussion zur Höhe von Genugtuungsleistungen
Peter Hodel
Peter Hodel
Aktuelle Probleme und Lösungen zum Thema Sexualstraftaten
Dieter Freiburghaus
Dieter Freiburghaus
Rechte von Müttern und Vätern im Angestelltenverhältnis
Matthias Stein-Wigger
Matthias Stein-Wigger
Activités de l'Union Internationale des Magistrats auprès des sièges de l'ONU
Pierre Zappelli
Pierre Zappelli
PERSONALIA
Décès de M. le juge cantonal et professeur Gérard Piquerez
Yves Maître
Yves Maître
Le grand juriste qu’était Gérard Piquerez nous a subitement quitté, par un beau jour d’automne, le 14 octobre 2008, alors qu’il passait quelques jours de vacances en Valais, avec sa famille, au cours d’une ballade dans le Val d’Anniviers, terrassé par un malaise cardiaque.
Wahlvorschlag des Bundesgerichts für Präsidium / Vizepräsidium ab 2009
Juria
Juria
Die Bundesversammlung wird im Dezember 2008 das Präsidium und Vizepräsidium des Bundesgerichts für die Periode 2009 – 2010 neu wählen. Das Bundesgericht schlägt Herrn Bundesrichter Lorenz Meyer zur Wahl als neuen Bundesgerichtspräsidenten sowie Frau Bundesrichterin Susanne Leuzinger-Naef zur Wiederwahl als Vizepräsidentin vor. Als drittes Mitglied der Verwaltungskommission hat das Gesamtgericht Herrn Bundesrichter Gilbert Kolly gewählt.
Proposition de candidats pour la présidence/vice-présidence dès le 1.1.2009 et élection des organes dirigeants
Juria
Juria
En décembre 2008, l’Assemblée fédérale va procéder à l’élection du président et du vice-président du Tribunal fédéral pour la période 2009 – 2010. Le Tribunal fédéral propose d’élire le Juge fédéral Lorenz Meyer comme nouveau président du Tribunal fédéral, ainsi que de réélire la Juge fédérale Susanne Leuzinger-Naef comme vice-présidente. La Cour plénière a en outre élu le Juge fédéral Gilbert Kolly comme troisième membre de la Commission administrative.