Liebe Leserinnen und Leser
Damit wird eines der Themengebiete rund um die Justiz aufgegriffen, welches in der Schweiz – im internationalen Kontext betrachtet – eine recht eigentümliche Ausprägung erfährt: Während international teilweise eine absolute Trennung von Justiz und politischen Parteien gefordert wird – wie dies der Beitrag von Ernst Markel zeigt – ist die Verflechtung von Justiz und politischen Parteien in der Schweiz ausserordentlich eng. Teilweise wird gar die Auffassung vertreten, Richterinnen und Richter seien die Repräsentanten der verschiedenen politischen Parteien – dazu die Beiträge von Hansjörg Seiler und Peter Albrecht. So kommt es in der Schweiz denn auch kaum oder nur höchst selten vor, dass parteilose Kandidatinnen und Kandidaten in ein Richteramt gewählt werden. Wohl wird von Seiten der Politik immer wieder auf die Ausnahmen hingewiesen, analysiert man die als Beleg genannten Beispiele, stellt sich meistens heraus, dass besondere Umstände vorlagen: Bei den sieben parteilosen Richterinnen und Richtern des Bundesverwaltungsgerichts, auf welche beispielsweise der Bericht der Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte vom 20. Juni 2006 verweist, handelt es sich ausschliesslich um Personen, welche bereits in der Asylrekurskommission als Richter tätig waren. Fakt ist also, dass in der Regel die politischen Parteien vereinbaren, wie viele Sitze sie je an den verschiedenen Gerichten beanspruchen können, und dass die Parteizugehörigkeit der Kandidatinnen und Kandidaten in aller Regel auch das entscheidende Wahlkriterium ist. Dies zeigt unter anderem auch der Beitrag von Marco Borghi.
Die vielfach geäusserte Aussage, wonach bei der Rechtsprechung die Parteizugehörigkeit der urteilenden Richterinnen und Richter keine Rolle spiele, sondern dass Elemente wie beispielsweise familiäre Verhältnisse, Herkunft und soziales Umfeld die Einstellungen der Richterinnen und Richter beeinflussen, wird kaum je bestritten. Wieso also spielt trotzdem bei der Auswahl der Richterinnen und Richter die Parteizugehörigkeit eine derart wichtige und entscheidende Rolle? Ein Element dürfte wohl sein, dass dadurch den politischen Parteien ein Machtinstrument in die Hand gegeben wird, auf das sie nicht verzichten wollen. Es wird ihnen die Möglichkeit gegeben, den Einsatz für die Partei mit einem Amt – und eben auch mit einem Richteramt – zu «belohnen». Ein Element dürften auch die Mandatsbeiträge sein: Die politischen Parteien finanzieren sich in nicht unerheblichem Ausmass dadurch, dass sie von den von ihnen portierten Mandatsträgern und damit auch von Richterinnen und Richtern, als Gegenleistung für die Unterstützung bei der Wahl eine jährliche finanzielle Abgeltung fordern. Diese Problematik wird mit dem Beitrag von Tiziano Balmelli ausgeleuchtet.