Liebe Leserinnen und Leser
Als Kernelement einer rechtstaatlichen Justiz ist die richterliche Unabhängigkeit ein Thema, das Richterinnen und Richter anhaltend beschäftigt – und damit auch zu den leitenden Themen der Richterzeitung gehört. Die aktuelle Nummer ist deshalb schwerpunktmässig der Befangenheit als einem besonderen Aspekt fehlender Unabhängigkeit gewidmet.
Die im Bund und in zahlreichen Kantonen übliche Heranziehung von nebenamtlichen Richtern wirft mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit zahlreiche Fragen auf und ist denn auch zunehmend umstritten, was sich nicht zuletzt in der Zahl entsprechender Ablehnungsbegehren zeigt. Die Problematik wird in zwei wissenschaftlichen Beiträgen aufgenommen: Der Beitrag von Regina Kiener und Gabriela Medici fragt nach der Befangenheit von Richtern aufgrund anderer Erwerbstätigkeiten und untersucht dabei namentlich den Beizug von praktizierenden Anwälten als Richter – eine Problematik, die sich mit Einsetzung des neuen Bundespatentgerichts (dem elf Anwälte als nebenamtliche Richter angehören) nochmals verschärfen wird. Fragen zum Einsatz von Ersatzrichtern und deren Unabhängigkeit stellt auch Davide Cerutti, ausgehend von einem aktuellen Entscheid des Bundesgerichts (Urteil 1C_9/2010 vom 14. Dezember 2010). Die Komplexität der Befangenheitsregeln zeigt sich im Beitrag von Pascal Schmid, der einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau zur Vorbefassung im Summarverfahren erläutert. Eine Stärkung der Unabhängigkeit liegt in der Professionalisierung der richterlichen Tätigkeit; der Beitrag von Patrick M. Müller beschreibt den Wandel vom Richtermiliz- zum Richterberufssystem am Beispiel des Luzerner Verwaltungsgerichts.
Der Schwerpunkt wird ergänzt durch eine Zusammenstellung von über 300 Entscheiden des Bundesgerichts zu Fragen von Unabhängigkeit, Befangenheit und Ausstand, die wir von der Website der Schweizerischen Richtervereinigung www.svr-asm.ch übernehmen durften. Zudem werden die Ergebnisse einer Umfrage in den Kantonen publiziert, welche wir zur Thematik der Zulässigkeit von Nebentätigkeiten und Teilzeitbeschäftigung von Richterinnen und Richtern mit Hilfe unserer Korrespondentinnen und Korrespondenten durchgeführt haben.
In der Rubrik Forum erscheint erstmals – nun aber regelmässig – die «SVR-ASM Kolumne», in der sich ein Mitglied der SVR-ASM äussert: den Anfang macht Peter Hodel, Präsident der SVR-ASM. Über eine aktuelle Studie der UIM rapportiert Florence Krauskopf. Aus Deutschland berichtet Michael Gressmann vom deutschen Richter- und Staatsanwaltstag 2011. Andreas Lienhard und Daniel Kettiger erläutern und kontextualisieren einen aktuellen Bundesgerichtsentscheid zur Frage der Öffentlichkeit der Justizverwaltung. Die Forumsbeiträge werden abgerundet durch verschiedene Nachdrucke aus Printmedien, die uns aus der Perspektive der Justiz lesenswert scheinen. In der Rubrik Literature rezensiert Hans-Jakob Mosimann eine dem Spannungsfeld von Prozessökonomie und Legalitätsprinzip gewidmete wissenschaftliche Arbeit. Eine bunte Mischung weiterer Informationen aus der Schweiz und dem Ausland findet sich wie immer in den News.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
Emanuela Epiney-Colombo, Stephan Gass, Regina Kiener, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli