Liebe Leserinnen und Leser
 
Die Ausgabe 2016/1 von «Justice - Justiz - Giustizia» bietet einen abwechslungsreichen Inhalt und zeigt einige Gedankengänge – von der täglichen Arbeit der Richter oder zu weiteren wiederkehrenden Themen wie die Regelung der Richterwahlen in der Schweiz oder auch die Frage der Verwaltung der Justizorgane – auf. Verpassen Sie nicht die Rezensionen, Tagungsberichte einschliesslich der juristischen Neuigkeiten aus der Schweiz und aus dem Ausland.
 
Leider zieht sich Regina Kiener – nach 10 Jahren intensiver Tätigkeit – aus der Redaktion zurück. Sie bleibt der Richterzeitung jedoch als Herausgeberin erhalten, so dass wir weiterhin von ihrem Engagement und ihren Fähigkeiten profitieren können. Wir danken Regina Kiener herzlich für ihre wissenschaftliche Unterstützung und dem Impuls, welchen sie der Richterzeitung gegeben hat.
 
Die Thematik des Justizmanagements wird in dieser Ausgabe besonders hervorgehoben, in welcher sich gleich mehrere Autoren zum vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützen Forschungsprojekt «Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz» äussern.
 
In ihrem Beitrag: «Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz» veranschaulichen Andreas Lienhard und Daniel Kettiger die vollständigen Ergebnisse dieses Forschungsprojekts und erklären, dass die Gerichte Werkzeuge und Justizmanagements-Modelle brauchen, welche spezifisch auf die dritte Staatsgewalt in der Schweiz abgestimmt sind.
 
Hans-Jakob Mosimann stellt das Buch «Peut-on manager la justice? Kann man die Justiz managen? Can we manage the Judiciary?» vor, in welchem die Forscher am Institut des hautes études en administration publique (IDHEAP) der Universität Lausanne, Yves Emery, Lorenzo G. De Santis und Vera Hertig, das Justizmanagement anhand von Interviews mit Richtern untersuchen.
 
Thomas Stadelmann rezensiert die Dissertation von Catherine Reiter «Gerichtsinterne Organisation: Best Practices», in welcher sich die Autorin mit den Fragen befasst, die sich bei der Suche nach einer besseren Bewirtschaftung und einer besseren Nutzung der zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen beim Gericht stellen.
 
Schliesslich äussert sich Patrick M. Müller als Praktiker in der SVR-Kolumne mit dem Titel «Geschäftslastbewirtschaftung quo vadis?» und veranschaulicht die Ergebnisse der verschiedenen Forschungsprojekte, welche an einer Konferenz in Bern vorgestellt wurden. Er vertritt die Ansicht, dass – um die Unabhängigkeit zu erhalten und gezielt reagieren zu können – die Schweizer Justiz sich die Mittel an die Hand geben muss, um effizient zu reagieren und die bereitgestellten wissenschaftlichen Methoden sinnvoll zu verwenden.
 
Gilbert Kolly, Bundesgerichtspräsident, stellt die Veränderungsvorschläge für den Zugang zum Bundesgericht vor, welche vom Gesamtgericht im Hinblick auf geplante Änderungen des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG) präsentiert wurden. Das Ziel ist die Festigung des Bundesgerichts in seiner Rolle als oberste Justizbehörde – was die Ausdehnung seiner Zuständigkeit auf alle einklagbaren Fragen erfordert, die jedoch auf die objektiv wichtigen Fälle beschränkt wird.
 
In ihrem Beitrag «Iura novit curia – Riflessioni attorno ad un obbligo antico del giudice civile» präsentieren Matteo Pedrotti und Massimiliano Cometta – aktiv in den Gerichten erster Instanz im Tessin – ihre Überlegungen zu der Verpflichtung der Zivilgerichte das Gesetz anzuwenden in Anbetracht der manchmal schwer fassbaren Abgrenzungen.
 
Als Antwort auf einen Beitrag von Rainer Schumacher (Nur ein fremder Richter kann ein guter Richter sein, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2015/4) verfolgt Hans Windlin die Diskussion zum Thema der ausländischen Richter und erklärt anhand von Beispielen, dass seiner Meinung nach die Konzepte «fremd» und «unabhängig» völlig verschieden und nicht deckungsgleich sind.
 
Die Unabhängigkeit der Richter, insbesondere im Hinblick auf ihre Wahl, ist das Herzstück des Beitrages von Marco Borghi in der Festschrift «Mehr oder Weniger Staat», welche zu Ehren von Peter Hänni verfasst wurde. Der Autor kehrt zu einem Thema zurück, das ihn schon seit längerer Zeit beschäftigt und welches er als «de[n] dominierende[n] Einfluss der politischen Parteien auf die Richterwahlen» definiert. Nach der Analyse des aktuellen Schweizer Systems – welches er als verfassungswidrig einschätzt – appelliert er an das Verantwortungsbewusstsein der Richter, die Opfer und Komplizen dieses Einflusses zugleich sind.
 
Der Tag der Richterinnen und Richter vom 30. Oktober 2015 war sehr lehrreich. In seinem Artikel «Kollegiales Feedback unter Richterinnen und Richtern – ein Instrument zur Qualitätssicherung in der richterlichen Verhandlungsführung» illustriert Ulrich Kleinert die Bedeutung der Kollegialität unter den Richtern in der Verhandlungsführung, welche die Kernaufgabe der Gerichte ist. Der Autor gibt Hinweise und Ratschläge, um deren Umsetzung und somit die Qualität der juristischen Arbeit zu verbessern.
 
Die Diplomarbeiten der Schweizerischen Richterakademie bieten immer eine breite Palette von Themenschwerpunkten. In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen zwei davon vor. Andreas Bohren behandelt das Verhältnis zwischen dem Zivilgericht und den querulanten Personen. In seiner Diplomarbeit mit dem Titel «Umgang des Zivilgerichts mit Querulanten» erläutert der Autor den rechtlichen und formellen Rahmen, welchen die Gerichte zur Verfügung haben und schlägt alternative Verhaltensweisen vor, welche ihnen bei der Kommunikation mit diesen Menschen helfen können.
 
Was den Blick ins Ausland betrifft, informiert uns Pierre Zappelli über die an der Internationalen Richtervereinigung 2015 in Barcelona diskutierten Themen. Stephan Gass berichtet uns über die Arbeit der Delegiertenversammlung der Europäischen Richtervereinigung (European Assocation of Judges/EAJ), deren Versammlung zur gleichen Zeit stattfand. Das Thema der Unabhängigkeit der Richter und der ausgeübte Druck auf die Justiz in einigen Staaten stand im Zentrum der Debatte und mehrere Beschlüsse wurden zu diesem Thema gefällt.
 
Die Studienkommissionen der IAJ haben sehr interessante Themen behandelt: Das Verhältnis zwischen einer effizienten Verwaltung der Gerichte und der Rechtspflege durch unabhängige Richter, Jugendstrafrecht in den verschiedenen Staaten sowie Gründe für eine Kündigungsentscheidung. Die Delegierten aus der Schweiz (Thomas Stadelmann, Dieter Freiburghaus und Florence Krauskopf) präsentieren Ihnen ihre Berichte.
 
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
 
Science
Umgang des Zivilgerichts mit Querulanten
Andreas Bohren
Andreas Bohren
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Zertifikatsstudiengangs «Judikative 2013–2014» verfasst. Die Arbeit behandelt die Hintergründe der Querulanz aus medizinisch-psychiatrischer Sicht. Sie beleuchtet das Verhältnis sowie die Kommunikation zwischen dem Gericht und den Querulanten und zeigt Interaktionsprobleme auf. Sie beschreibt die gesetzlich-förmlichen Reaktionsmöglichkeiten des Gerichts. Darüber hinaus erläutert sie alternative Verhaltensweisen, die helfen können, professioneller mit Querulanten umzugehen.
Peut-on détecter le mensonge ?
Michel St-Yves
Michel St-Yves
« Ce n’est pas moi je vous le jure ! » Est-ce suffisant pour vous convaincre que cette personne est de bonne foi ? Sans doute pas. À défaut d’avoir des preuves solides, sur quoi vous basez-vous pour construire votre opinion ? Vos impressions ? L’aide d’experts ou de présumés « spécialistes » en « détection du mensonge » ? Mais que valent ces opinions ? Sur quoi reposent-t-elles ? Purement intuitives ou scientifiques ?
La mainmise des partis politiques suisses sur l’élection des juges
Marco Borghi
Marco Borghi
La monopolisation de l'élection des juges par les partis politiques représentés au sein des organes législatifs ne repose sur aucune justification objective, constitue une anomalie dans le contexte international et favorise une sélection discriminatoire selon une procédure opaque, sans contrôle démocratique et sans appel possible, instituée autonomement par les structures internes des partis. Elle n'est pas apte à garantir le choix de tous les candidats potentiels les plus compétents et indépendants, car ce système exclut notamment ceux voulant préserver leur liberté d'opinion et leur liberté d'association dans sa dimension négative.
Iura novit curia
Matteo Pedrotti
Matteo Pedrotti
Massimiliano Cometta
Massimiliano Cometta
Il cittadino ha fiducia nel giudice perché confida che la legge sia giusta e perché sa che il giudice la applicherà al suo caso senza lasciarsi condizionare, secondo l’adagio iura novit curia. Sennon-ché le insidie che si celano in ogni sussunzione giuridica sono molte. I confini del diritto che il giudice, per il cittadino, deve conoscere sono tutt’altro che facili da definire. In questo articolo si presentano alcune riflessioni sulle implicazioni e sui limiti del principio iura novit curia per il giudice civile con alcune digressioni dedicate anche ai riflessi che questo principio comporta per il conciliatore e per l’arbitro.
Forum
In eigener Sache
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Stephan Gass
Stephan Gass
Regina Kiener tritt aus der Redaktion der Richterzeitung zurück, bleibt jedoch weiterhin Mitherausgeberin, zusammen mit Stephan Gass und Thomas Stadelmann.
Kollegiales Feedback unter Richterinnen und Richtern
Ulrich Kleinert
Ulrich Kleinert
Der Beitrag basiert auf einem Vortrag zum Tag der Richterinnen und Richter am 30. Oktober 2015 in Luzern. Das kollegiale Feedback unter Richterinnen und Richter befasst sich mit einem Kernstück der richterlichen Arbeit, der Verhandlungsführung.
Propositions de modification de l'accès au Tribunal fédéral
Gilbert Kolly
Gilbert Kolly
Une révision de la loi sur le Tribunal fédéral est en préparation. Son but principal doit être de consolider durablement le Tribunal fédéral dans son rôle constitutionnel d'autorité judiciaire suprême de la Confédération. Cela implique des modifications dans deux directions. D'une part, les compétences du Tribunal fédéral doivent être élargies à toutes les matières justiciables ; en tant que Cour suprême, il doit être seul juge de dernier ressort. D'autre part, ses compétences doivent être limitées, dans une mesure adéquate, aux cas objectivement importants. La Cour plénière du Tribunal fédéral a arrêté diverses propositions allant dans ce sens.
Widerlegung der These «Nur ein fremder Richter kann ein guter Richter sein»
Hans Windlin
Hans Windlin
«Nur ein fremder Richter kann ein guter Richter sein» ist der Titel des Beitrags von Rainer Schumacher in «Justice – Justiz – Giustizia» 2015/4 und gleichzeitig die These, die er darin vertritt. Die These «Nur ein fremder Richter kann ein guter Richter sein» irritiert. Dabei sind «fremd» und «unabhängig» völlig verschiedene, nicht deckungsgleiche Begriffe. Die Probe aufs Exempel.
Kolumne SVR
Geschäftslastbewirtschaftung quo vadis?
Patrick M. Müller
Patrick M. Müller
An der Konferenz «Justiz zwischen Management und Rechtsstaat» in Bern wurden u.a. wissenschaftliche Arbeiten über den Rechtsrahmen der Geschäftslastbewirtschaftung und die Erhebungsmethodik präsentiert. Der Autor hatte Gelegenheit, sich als Praktiker dazu zu äussern. Er kommt zum Schluss, dass vor der Drohkulisse zunehmenden Ressourcen- und Legitimationsdrucks Geschäftslastbewirtschaftung an Gerichten letztlich dem Schutz richterlicher Unabhängigkeit dient.
Associations
Réunion 2015 de l'Union Internationale des Magistrats, à Barcelone (Espagne)
Pierre Zappelli
Pierre Zappelli
La 58ème réunion annuelle de l'Union Internationale des Magistrats (UIM) s'est tenue en Espagne, à Barcelone, du 4 au 8 octobre 2015.
Delegiertenversammlung der Europäischen Richtervereinigung in Barcelona (5. bis 7. Oktober 2015)
Stephan Gass
Stephan Gass
Die Europäische Richtervereinigung (European Association of Judges/EAJ), eine Regionalgruppe der Internationalen Richtervereinigung, führte ihre Herbsttagung zusammen mit der Jahrestagung der Internationalen Richtervereinigung (IAJ/UIM) in Barcelona durch. Delegierte aus 40 Mitgliedsstaaten trafen sich in der katalanischen Hauptstadt zu Meinungsaustausch und Beratungen. Es wurden verschiedene Fragen zur richterlichen Unabhängigkeit in den europäischen Mitgliedsstaaten diskutiert, Beschlüsse gefasst und Resolutionen erlassen.
Relation entre une gestion efficace des tribunaux et l’administration de la justice par des magistrats indépendants
Peter Hall
Peter Hall
Roslyn Atkinson
Roslyn Atkinson
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Mehmet Tank
Mehmet Tank
Virginie Duval
Virginie Duval
Le thème traité par la Première Commission d’Etude a été divisé en quatre sujets : Mécanisme de répartition des affaires juridiques, Augmentation du rendement et réduction du temps de gestion, Evaluation de la performance, Conditions de travail.
Jahreskongress 2015 der IAJ/UIM in Barcelona
Dieter Freiburghaus
Dieter Freiburghaus
Die dritte Studienkommission, welche straf- und strafprozessrechtliche Fragestellungen diskutiert, befasste sich 2015 mit dem Thema Jugendstrafrecht. Grundlage der Debatten bildeten die Antworten auf die im Vorfeld den einzelnen Mitgliedsverbänden unterbreiteten Fragen zum Jugendstrafrechtssystem der jeweiligen Länder, welche sowohl das materielle Jugendstrafrecht als auch das Jugendstrafverfahren betrafen.
4ème Commission : Droit Public et Droit Social
Florence Krauskopf
Florence Krauskopf
Les travaux de la 4ème Commission d'étude se sont intéressés à la question de savoir si l'employeur doit motiver un licenciement et quelles sont les conséquences d'un motif invoqué qui serait inexact.
Literature
Rezension: Peut-on manager la justice? Kann man die Justiz managen? Can we manage the Judiciary?
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Drei empirische Studien aus dem Forschungsprojekt zum Justizmanagement untersuchen, was Richterinnen und Richter sowie Managementverantwortliche an Gerichten unter guter Justiz verstehen, wie Richterinnen und Richter zu Managementideen eingestellt sind und was sie zum Thema «Richter führen» denken.
Rezension: Gerichtsinterne Organisation: Best Practices
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Im Rahmen des SNF Forschungsprojektes «Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz» hat sich Catherine Reiter mit ihrer Dissertation der gerichtsinternen Organisation angenommen. Sie untersucht aufbau- und ablauforganisatorische Fragen, welche sich innerhalb der Gerichte als in sich geschlossene Einheiten stellen. Ziel ihrer Arbeit ist, möglichst bestimmte Kriterien für die Identifikation der Best Practices der Rechtsetzung zur gerichtsinternen Organisation zusammenzutragen. Dies soll vor allem Hinweise dafür liefern, wie die allgemein gehaltenen Anforderungen und Zielwerte des Verfassungs- und Völkerrechts konkretisiert werden können.
Bibliografie zum Richterrecht – Update 35
Juria
Juria
Das 35. Update der Bibliografie enthält die seit der Ausgabe 2006/3 von «Justice - Justiz - Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätze im Themenbereich der Richterzeitung.
Reprint
«Gerichte leisten eine gute Arbeit»
Thomas Hasler
Thomas Hasler
Eine schweizweite Studie des Verwaltungswissenschaftlers Christof Schwenkel zeigt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die kantonalen Gerichte sehr hoch ist. Dennoch habe die Justiz ein Imageproblem.
News CH
Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz
Andreas Lienhard
Andreas Lienhard
Daniel Kettiger
Daniel Kettiger
Dem vierjährigen Forschungsprojekt lag folgende übergreifende Forschungsfrage zugrunde: «Wie ist die Justizorganisation optimal auszugestalten, um die Rechtsprechung nachhaltig zu gewährleisten?». Die Gesamterkenntnisse zeigen, dass Justizmanagement für eine nachhaltige Gewährleistung der Rechtsprechung unabdingbar ist. Für die Gerichte braucht es indessen besondere Managementmodelle, die den Eigenheiten der dritten Gewalt hinreichend Rechnung tragen.
Eidgenössische Volksinitiative «Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern»
Juria
Juria
Die Volksinitiative «Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern» ist nicht zustande gekommen; innert der Sammelfrist sind weniger als die benötigten 100'000 Unterschriften zusammengekommen.
News abroad
Ein prägender, aber polarisierender Verfassungsrichter
Christian Kölz
Christian Kölz
Der am Wochenende in Texas verstorbene Antonin Scalia war ein umstrittener Verfassungsrichter. Aber seine Auffassungen haben die Rechtsentwicklung in den USA stark beeinflusst und werden dies weiter tun.