Justice - Justiz - Giustizia

Liebe Leserinnen und Leser

Die vorangegangenen Ausgaben dieser Zeitschrift haben hauptsächlich Themen rund um das helvetische System behandelt. In der Ausgabe 2007/1 hat sich dieser Horizont mit der Durchbrechung unserer Landesgrenzen erweitert. Das Rechtssystem von Taiwan spielt ebenso eine Rolle wie auch Aktuelles aus Europa.

Professor Luzius Wildhaber, der bis zum 19. Januar dieses Jahres Präsident des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war, zieht eine erste Bilanz über seine Tätigkeit in Strassburg. Im Rahmen des unserer Zeitschrift gewährten Interviews betont er die Auswirkungen der Demokratisierung der osteuropäischen Staaten, welche eine deutliche Zunahme der beim Europäischen Gerichtshof eingereichten Fälle zur Folge hat. In der Tat entstammen 2/3 der Berufungen aus diese Ländern, davon 21% aus Russland. Die zu lösenden Probleme betreffen im Wesentlichen die Unabhängigkeit der Gerichte.

In seiner Funktion als erster amtlicher Präsident des Europäischen Gerichtshofes war Professor Wildhaber mit durch Überlastung des Gerichts verursachten Problemen konfrontiert. Er setzte sich mit ganzer Kraft für eine Verbesserung der personellen wie auch finanziellen Verhältnisse ein. Es war unumgänglich, in einer verhältnismässig kurzen Zeitspanne Veränderungen vorzunehmen. Die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofes stand auf dem Spiel.

Darüber hinaus war man bestrebt, minimale Standards einzuführen, um einen einheitlichen Urteilsstil zu entwickeln. Diese Eigenheit ergibt sich aus der Vielzahl der unterschiedlichen Traditionen der juristischen Materie und ist typisch für Strassburg. In Zukunft werden die Europäischen Richter vermehrt Probleme, die aus der Verschiedenheit kultureller, geschichtlicher und religiöser Hintergründe der Mitgliedstaaten herrühren, zu lösen haben.

Luzius Wildhaber bezieht ebenfalls zu Themen unserer künftigen Ausgaben Stellung. Für ihn ist es inakzeptabel, wenn jemand sowohl in der Funktion als Richter als auch als Anwalt tätig ist. Des Weiteren hat er seine Missgunst über die Tatsache geäussert, dass Richter, um gewählt werden zu können, einer politischen Partei angehören müssen und diese darüber hinaus auch noch finanziell unterstützen. Unter dem Gesichtspunkt der objektiven Unbefangenheit der Richter erscheinen ihm diese Gegebenheiten äusserst bedenklich.

Von Strassburg aus wurde ihm die privilegierte Aufgabe seines Herkunftslandes bewusst.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Schwierigkeiten in der Leitung der Europäischen gerichtlichen Institution unterscheiden sich kaum von denen der Magistratspersonen unseres Landes. Die auftretenden Probleme sind ähnlich: zu knapp bemessene Budgets, zu wenig Personal. Nichtsdestotrotz verlangt eine qualifizierte Rechtsprechung kompetente und motivierte Richter, die adäquate Mittel zur Ausübung ihrer Funktion benötigen. Daher erscheint bedenklich, was sich im Kanton Glarus abspielt. Das dortige Parlament hat beschlossen, die Löhne der juristischen Magistratspersonen um 5% zu senken. Einige unter ihnen haben daraufhin Rekurs ans Bundesgericht eingereicht, welches diesen gutgeheissen hat. Die Erwägungen zu diesem Entscheid werden mit Spannung erwartet. 

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