Liebe Leserinnen, liebe Leser
In der dritten Ausgabe 2023 von «Justice - Justiz - Giustizia» erwartet Sie neben einem kleinen Schwerpunkt zu Vergleich und niederschwelliger Konfliktlösung eine breite Palette von Beiträgen aus verschiedensten Bereichen, welche die an der Judikative interessierten Personen beschäftigen.
Einvernehmliche Streitbeilegungen, bei der die Parteien frei und gütlich eine Lösung für ihren Konflikt finden können, stossen auf wachsendes Interesse. Stephan Metzger befasst sich in seinem Beitrag mit den Chancen und Herausforderungen der Mediation im Bundesverwaltungsrecht. Der Beitrag von Alexandra Bessire-Boinay, «La conciliation et la médiation en matière pénale», fokussiert sich auf die Schlichtung und die Mediation in enger Verbindung mit einem Strafverfahren. Séverine Zehnder beschäftigt sich in «La décision de l’autorité de conciliation (art. 212 CPC)» mit der ZPO-Bestimmung, welche der vorgängigen oder aussergerichtlichen Streitbeilegung einen wichtigen Platz einräumen soll, sowie den praktischen Erfahrungen damit im Kanton Freiburg. Über diverse Entwicklungen im Bereich der Mediation berichtet sodann Tânia Gazzola in «Mediation: ein wegweisendes Werkzeug für die Richterinnen und Richter». Schliesslich beauftragte das Parlament den Bundesrat Ende 2021 bzw. anfangs 2022, die gesetzlichen Grundlagen für die Verankerung des Konzepts der «Restaurativen Justiz» in der StPO auszuarbeiten; mit dieser Thematik befasst sich Isabella Veseli in «La justice restaurative».
Untersuchungen zu Geschäftslastverteilungen sind ein etabliertes Instrument der Gerichtsverwaltung geworden. Andreas Lienhard und Daniel Kettiger gehen in «Geschäftslaststudien: Wie geht man mit kleinen Gerichten um?» auf die methodischen Herausforderungen ein, welche solche Untersuchungen an kleineren Gerichten stellen, und zeigen Lösungswege auf.
Der Beitrag «Die Justiz als Akteur im Meinungsbildungsprozess der Öffentlichkeit» von Wolfgang Wohlers beleuchtet das Interesse der (Medien-)Öffentlichkeit an der Justiz und befasst sich mit der Frage, ob die Justiz nicht nur kommunizieren darf, sondern auch muss, und in welcher Art und Weise das geschehen kann.
Martin Burger setzt sich in «Reformbedarf des Richterwahlsystems in der Schweiz» zum Ziel, einen Ausweg aus der politischen Blockade der notwendigen Reform des Richterwahlsystems in der Schweiz zu skizzieren.
Franziska Hofer und Angela Bearth beschäftigen sich im Beitrag «Psychologie der richterlichen Entscheidungsfindung» aus psychologischer Sicht mit Faktoren, welche die Entscheidfindung beeinflussen, und mit der Frage, wie solche Beeinflussungen bei der richterlichen Entscheidfindung reduziert werden können.
Jeremias Fellmann, «Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 30 Abs. 1 BV», präsentiert vier interessante Bundesgerichtsurteile zum Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht.
Marie-Chantal May Canellas beleuchtet in ihrem Beitrag «Frais judiciaires selon le CPC révisé : un défi pour les tribunaux» in der SVR-Kolumne die revidierten Bestimmungen über den Kostenvorschuss (Art. 98 ZPO) und das Gerichtskostenreglement (Art. 111 ZPO) und weist darauf hin, dass deren Auswirkungen auf die Funktionsweise der Justiz alles andere als neutral sind.
Yvonne Summer berichtet über die – bemerkenswerten – Hintergründe des Wechsels der Präsidentschaft in der Österreichischen Richtervereinigung: Die Österreichische Bundesregierung hat es ohne Angabe von Gründen seit Monaten unterlassen, dem Bundespräsidenten einen Besetzungsvorschlag für das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts zu unterbreiten. Das grösste Gericht Österreichs, dem die gerichtliche Kontrolle von Behördenentscheidungen in Angelegenheiten der gesamten unmittelbaren Bundesverwaltung (mit Ausnahme des Finanzrechts) obliegt, ist aus diesem Grunde seit dem 1. Dezember 2022 leitungslos.
Dieter Freiburghaus erstattet Bericht über die diesjährige Tagung der Europäischen Richtervereinigung in Athen. Seine Ausführungen beleuchten die besorgniserregende Situation der Europäischen Justiz, welche sich weiter verschlechtert hat, und machen deutlich, welch wichtige Rolle die Europäische – wie auch die Internationale – Richtervereinigung im Einsatz für Richterliche Unabhängigkeit, demokratischen Rechtsstaat und Rule of Law wahrzunehmen haben.
Schliesslich enthält die Ausgabe Hinweise auf verschiedene – mehrheitlich kostenlose – Fortbildungsangebote für die an der Judikative Interessierten: den «Tag der Richterinnen und Richter» der SVR-ASM am 17. November 2023 in Luzern, das Webinar «Judikative im Dialog: fachliche Prüfung von Kandidierenden für Richterämter» des SIfJ am 11. Oktober 2023, das «Kolloquium Richterliche Verantwortlichkeit» (Webinar) vom 3. November 2023 (organisiert von Dr. Arthur Brunner und PD Dr. Matthias Kradolfer) sowie die «3. Schweizer Tagung Judikative: Justizverwaltung – ihre Grundlagen und Grenzen» am 9. November 2023 am Bundesverwaltungsgericht in Zusammenarbeit mit dem SIfJ (als Webinar angeboten).
Abgerundet wird die Ausgabe wie gewohnt durch die Updates zur «Medienberichterstattung über die weltweite Verfassungsgerichtsbarkeit, die Justiz betreffend», zur «Bibliographie zum Richterrecht» sowie zu den Geschäften aus dem Parlament.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und spannende Weiterbildungen.
Arthur Brunner, Stephan Gass, Sonia Giamboni, Andreas Lienhard, Hans-Jakob Mosimann, Annie Rochat Pauchard, Thomas Stadelmann