Liebe Leserin, lieber Leser

Auch diese Ausgabe 2016/4 von «Justice – Justiz – Giustizia» spannt wieder einen weiten Bogen der Themen, mit welchen sich die Justiz beschäftigt.

Richterliche Unabhängigkeit – nach aussen und nach innen – sowie Transparenz der richterlichen Tätigkeit und richterliche Verantwortlichkeit sind die Stichworte, mit denen sich Jean-Claude Wiwinius, Président de la Cour Supérieure de Justice au Luxembourg und luxemburgisches Mitglied des CCJE in seinem am diesjährigen Richtertag gehaltenen Referat  «La place du système judiciaire et ses relations avec les autres pouvoirs de l’Etat dans une démocratie moderne» beschäftigt.

Ein immer wiederkehrendes Thema in «Justice – Justiz – Giustizia» ist das Auswahlverfahren für Richterinnen und Richter. In dieser Ausgabe öffnet Georg Grünstäudl in «RichterIn werden in Österreich und der Schweiz» den Blickwinkel, indem er einen Vergleich zwischen dem österreichischen und dem schweizerischen System vornimmt und auch das Verhältnis der Richterinnen und Richtern zu den politischen Parteien untersucht.

Mehrere Beiträge befassen sich mit dem Management der Justiz:
In «Möglichkeiten und Grenzen der Geschäftslastbewirtschaftung in der Justiz» zeigt Andreas Müller auf, welche Rechtsfragen sich im Rahmen der justiziellen Geschäftslastbewirtschaftung stellen. Er legt den Rechtsrahmen dar und beschreibt die Leitlinien für die schweizerische Justiz.

Der Beitrag von Sandra Taal «Working separately together: A quantitative study into the knowledge sharing behaviour of judges» geht von der Feststellung aus, professionelles Handeln von Richterinnen und Richter setze nicht nur eine genügende Grundausbildung voraus, sondern verlange auch ein ständige up-to date halten des Wissens. Sie legt dar, dass die Hauptherausforderung nicht nur darin besteht, den Richterinnen und Richtern genügend Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, sondern auch darin, das in den Gerichten verfügbare Wissen allgemein zugänglich zu machen und auszutauschen.

Der mit «Erlebnisse aus der Entwicklung der ‹Justiz zwischen Management und Rechtsstaat›» betitelte Beitrag von Thomas Pfisterer basiert auf den ganz persönlichen Erfahrungen des Autors in Bezug auf die Entwicklung der Justizverwaltung zu mehr Management. Er richtet den Blick auf die Grundbedingungen, in denen sich die Justiz in Rechtsstaat und Demokratie bewegt.

Nahe am gerichtlichen Alltag ist der Beitrag von Philipp Egli, «Pflicht zur Herstellung der Spruchreife durch das Gericht?», welcher sich mit dem Rückweisungsverbot bei ungenügender Sachverhaltsabklärung befasst. Beleuchtet wird speziell der Sozialversicherungsprozess, seine Feststellung[en] sind darüber hinaus auch für das Verwaltungsverfahren ganz allgemein interessant.

Vervollständigt wird auch diese Ausgabe mit Hinweisen auf juristische Neuigkeiten aus der Schweiz und dem Ausland und auf neu erschienene Literaturbeiträge.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme und anregende Lektüre.

Das Redaktionsteam: Stephan Gass, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Andreas Lienhard, Sonia Giamboni, Pierre Zappelli

Science
RichterIn werden in Österreich und der Schweiz
Georg Grünstäudl
Georg Grünstäudl
RichterInnen üben die rechtsprechende Gewalt des Staates aus. Doch wer wählt sie aus? Während in der Schweiz die Richterwahl üblich ist, kennt Österreich ein Auswahlverfahren mit Richterausbildung. Mit beiden Systemen verbunden sind verschiedene Auffassungen über die Mitgliedschaft von RichterInnen in politischen Parteien. In der Schweiz ist sie notwendig, um RichterIn zu werden. Dagegen empfahl die österreichische Richtervereinigung von einer Parteimitgliedschaft Abstand zu nehmen. Der Autor untersucht beide Systeme und begibt sich auf die Spurensuche zwischen parteipolitischer Transparenz und nomineller Neutralität.
Möglichkeiten und Grenzen der Geschäftslastbewirtschaftung in der Justiz
Andreas Müller
Andreas Müller
Ein sachgerechter Ressourcenumgang und eine effiziente Bearbeitung der Arbeitslast sind zentrale Faktoren für ein effektives Justizmanagement und damit letztlich für eine gut funktionierende Justiz. Dennoch hat das Konzept der Geschäftslastbewirtschaftung erst vor wenigen Jahren Einzug in die Justizverwaltung in der Schweiz gehalten, weswegen hinsichtlich damit verbundener Rechtsfragen Unsicherheiten bestehen. Der Beitrag ist eine Zusammenstellung der wesentlichsten Erkenntnisse der kürzlich erschienen Dissertation des Autors, welche sich der justiziellen Geschäftslastbewirtschaftung aus einem rechtswissenschaftlichen Blickwinkel annimmt.
Working separately together: A quantitative study into the knowledge sharing behaviour of judges
Sandra Taal
Sandra Taal
The following article is a summary of a PhD thesis titled «Working separately together: A quantitative study into the knowledge sharing behaviour of judges». This study was part of a large-scale interdisciplinary research project on court management («Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz») led by the Kompetenzzentrum für Public Management (University of Bern).
Pflicht zur Herstellung der Spruchreife durch das Gericht?
Philipp Egli
Philipp Egli
Der Beitrag befasst sich mit dem Rückweisungsverbot bei ungenügender administrativer Sachverhaltsabklärung im Sozialversicherungsprozess. Unter Berücksichtigung statistischer Daten werden Grundlagen und Grenzen der Rückweisungspraxis vertieft erörtert. Der Autor ist der Auffassung, dass die Gerichte nicht ohne Not zurückweisen sollen, ein (justiziables) Rückweisungsverbot aber nur in Ausnahmefällen und «faute de mieux» angezeigt ist. Der Beitrag enthält eine Checkliste mit Kriterien und Merksätzen, die beim Entscheid über eine Rückweisung zu beachten sind.
Forum
La place du système judiciaire et ses relations avec les autres pouvoirs de l’Etat dans une démocratie moderne
Jean-Claude Wiwinius
Jean-Claude Wiwinius
Vous avez lu dans l’invitation à la présente conférence, qu’au printemps de cette année-ci j’ai été élu par mes collègues comme président de la Cour supérieure de justice au Luxembourg.
Erlebnisse aus der Entwicklung der «Justiz zwischen Management und Rechtsstaat»
Thomas Pfisterer
Thomas Pfisterer
Der Beitrag vermittelt eine essayistische Darstellung, wie der Autor als Mitarbeiter von Kanton und Bund, in Justiz, Kantonsregierung und Parlament, die Entwicklung der Justizverwaltung zu mehr Management im Rechtsstaat und in der Demokratie erlebt hat. Er führt durch an sich altbekannte Zusammenhänge und weitet den Blick aus auf Grundbedingungen, in denen sich die Justiz im Staatsganzen bewegt.
Kolumne SVR
Justice et médias : un nœud gordien ?
Marie-Chantal May Canellas
Marie-Chantal May Canellas
La justice ne réagit pas fréquemment publiquement à la critique médiatique. Elle ne le peut pas toujours et dans les cas où cela s'avérerait possible, elle ne l'estime pas toujours opportun. Ce silence est mal compris. Face à une problématique aussi complexe, il ne saurait être question de rompre le dialogue. Au contraire, celui-ci doit être privilégié. Pourrait-on faire un pas de plus dans cette direction ? Certainement et ceci ne se limite pas forcément à réagir promptement ou de manière épidermique à des articles de presse.
Literature
Rezension: Rechtserkenntnis durch Richtermehrheiten – «group choice» in europäischen Justiztraditionen
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Für die Beteiligung von mehreren Richterinnen und Richtern am Fällen eines Urteils gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das hier besprochene Werk von Wolfgang Ernst zeichnet anschaulich und im Detail den Weg nach, der vom Addieren von Einzelvoten im antiken Rom (und in der englischen Rechtskultur) zum Urteil als Gemeinschaftsprodukt des Spruchkörpers geführt hat, und welche verblüffende Fülle von Fragen und im Zeitverlauf sich wandelnden Antworten dabei aufgetaucht ist.
Bibliografie zum Richterrecht – Update 38
Juria
Juria
Das 38. Update der Bibliografie enthält die seit der Ausgabe 2006/3 von «Justice - Justiz - Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätze im Themenbereich der Richterzeitung.
News Abroad
Bericht über die EGPA Jahreskonferenz 2016 in Utrecht
Martin Schmied
Martin Schmied
Ende August 2016 fand im Rahmen der Konferenz der European Group for Public Administration (EGPA) in Utrecht die jährliche Zusammenkunft der Permanent Study Group «Justice and Court Administration» statt. Diese bietet eine interdisziplinäre Plattform zur breiten Diskussion über die Justizverwaltung. Dieser Tagungsbericht informiert über die einzelnen Beiträge.
Medienberichterstattungen über weltweite Verfassungsgerichtsbarkeit, die Justiz betreffend
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Die nicht abschliessende Auswahl internationaler Medienberichte soll den Leser hinsichtlich der Rechtsprechung von Verfassungsgerichten im Aufgabenbereich der Justiz an sich informieren.