Liebe Leserinnen und Leser

Das Replikrecht zählt zu den Fragen, die Praxis und Lehre in den letzten Jahren wiederholt beschäftigt haben. Gabriela Zgraggen Kappeler gewinnt der Thematik eine neue Facette ab, indem sie das Spannungsverhältnis zwischen Replikrecht und Beschleunigungsgebot aus einer spezifisch verwaltungsrechtlichen Optik untersucht; hier sind die strengen Anforderungen des Replikrechts im Rahmen von Verfahren umzusetzen, die grundsätzlich an der Schriftlichkeit ausgerichtet sind und nicht wie die strafrechtlichen oder zivilprozessualen Verfahren auf eine mündliche Verhandlung. Entsprechend komplex und vielfältig präsentieren sich die mit der Schriftlichkeit einhergehenden Probleme. Der ebenfalls im Rahmen des Zertifikatsstudienganges «Judikative» 2013–2014 der Schweizerischen Richterakademie entstandene Beitrag von Thomas Segessenmann untersucht, wie das Verhalten von Richterinnen und Richtern die Wirksamkeit eines Rechtsmittels beeinflussen kann; dabei werden die erarbeiteten Grundlagen für den Bereich des Asylrechts vertieft.

Die am Hamburger Institut für Recht & Ökonomik tätigen Forscher Stefan Voigt und Jerg Gutmann und der am Walter Eucken Institut der Universität Freiburg/Br tätige Lars P. Feld überprüfen anhand aktueller Indikatorwerte ihre im Jahr 2003 erstmals untersuchte These, wonach eine unabhängige Justiz zu schnellerem Wirtschaftswachstum führen kann. Ihre Schlussfolgerungen – die hier nicht vorweggenommen werden sollen – sind von besonderem Interesse für die Schweizer Justiz, deren Unabhängigkeit de jure aufgrund der engen demokratischen Bezüge zu relativieren ist, deren Unabhängigkeit de facto aber anerkannt ist.

Die Beiträge im «Forum» befassen sich mit Fragen des Justizmanagements, das in der Schweiz zunehmend an Bedeutung gewinnt. Während Andreas Lienhard und Daniel Kettiger über das in der Schlussphase befindliche interdisziplinäre Forschungsprojekt zu den Grundlagen des Justizmanagements in der Schweiz berichten, stellt Markus Metz mit der Frage nach der Qualität der Rechtsprechung und Leistungsbeurteilung eine konkrete Fragestellung ins Zentrum seiner Überlegungen.

2014 ist die dritte Auflage des St-Galler-Kommentars zur Bundesverfassung erschienen. In der Rubrik «Literature» diskutiert Hans-Jakob Mosimann ausgewählte Fragen aus den Kommentierungen der Verfahrensgrundrechte und der Bestimmungen zur Justizorganisation.

Die aktuelle Ausgabe wird abgerundet durch die Kolumne aus dem Vorstand der SVR-ASM (diesmal verfasst von Florence Krauskopf) und durch Neuigkeiten aus der Europäischen Richtervereinigung.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Das Redaktionsteam: Emanuela Epiney-Colombo, Stephan Gass, Regina Kiener, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli.

SCIENCE
Das Replikrecht: Paradigmenwechsel in der Prozessleitung
Gabriela Zgraggen-Kappeler
Gabriela Zgraggen-Kappeler
Diese im Rahmen des Zertifikatsstudiengangs «Judikative» 2013–2014 verfasste Arbeit beleuchtet die praktischen Fragestellungen und Auswirkungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen unbedingtem und bedingtem Replikrecht für die gerichtliche Verfahrensleitung und den Rechtssuchenden aus verwaltungsrechtlicher Optik. Sie befasst sich mit allfälligen Schranken des Replikrechts und zeigt einige Möglichkeiten der Verfahrensleitung auf, um der Gefahr ausufernder Schriftenwechsel zu begegnen und das Spannungsverhältnis zwischen Gehörsrechtsgewährung und einer beförderlichen Verfahrenserledigung zu entschärfen.
Der richterliche Beitrag zur Wirksamkeit der Beschwerde
Thomas Segessenmann
Thomas Segessenmann
Diese im Rahmen des Zertifikatsstudiengangs «Judikative» 2013–2014 verfasste Arbeit untersucht, wie das Verhalten von Richterinnen und Richtern die Wirksamkeit eines Rechtsmittels beeinflusst. Wann, wie und in welchem Umfang Einfluss genommen werden soll, hängt von den im jeweiligen Verfahren geltenden Prozessmaximen sowie den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Eine besondere Bedeutung kommt dem richterlichen Beitrag zur Wirksamkeit der Beschwerde im Asylverfahren zu, bei welchem hohe Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, kurze Fristen gelten und viele Beschwerden von Laien eingereicht werden.
Mehr Wirtschaftswachstum durch eine unabhängige Justiz?
Stefan Voigt
Stefan Voigt
Jerg Gutmann
Jerg Gutmann
Lars P. Feld
Lars P. Feld
Eine unabhängige Justiz kann zu schnellerem Wirtschaftswachstum führen. Um diese Hypothese zu überprüfen, haben Feld und Voigt (2003) zwei Indikatoren entwickelt, um die Unabhängigkeit der Justiz de jure und de facto messen zu können. Erstmalig beruhte die Messung nicht auf subjektiven Bewertungen, sondern auf objektiven Fakten. In diesem Beitrag präsentieren wir aktuelle Indikatorwerte und zeigen, dass de jure Justizunabhängigkeit nicht systematisch mit Wirtschaftswachstum korreliert, während de facto Justizunabhängigkeit hochsignifikant und sehr robust mit Wachstum korreliert. Dieser Zusammenhang ist unabhängig von der Einkommenshöhe eines Landes.
FORUM
Justizforschung – Nationalfondsprojekt auf der Zielgerade
Andreas Lienhard
Andreas Lienhard
Daniel Kettiger
Daniel Kettiger
Das erste von Schweizerischen Nationalfonds geförderte, interdisziplinäre Forschungsprojekt, das sich mit der schweizerischen Justizorganisation im Spannungsfeld zwischen Rechtsstaatlichkeit und Management befasst, kommt in die Endphase. Ausgewählte Erkenntnisse werden am 13. November 2015 an einer Tagung vorgestellt.
Qualität der Rechtsprechung und Leistungsbeurteilung
Markus Metz
Markus Metz
Die richterlichen Behörden sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet. Das fundamentale Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit für den demokratischen Rechtsstaat bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Ausführung. Das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 BV wiederum fordert, dass Gerichte in ihrer Rechtsprechung gleiche Sachverhalte gleich beurteilen. Dies wiederum verlangt die Koordination und die Kontrolle der Qualität der Rechtsprechung.
KOLUMNE SVR
Les féries de Justine
Florence Krauskopf
Florence Krauskopf
Fin d'année judiciaire et veille de départ en vacances inspirent cette contribution. Le lecteur appréciera les libertés prises par l'auteure qui augurent des futures vacances !
ASSOCIATIONS
Delegiertenversammlung der Europäischen Richtervereinigung (EAJ) vom 15./16. Mai 2015
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Die Europäische Richtervereinigung (EAJ) führte ihre Frühjahrstagung 2015 in Danzig/Polen unter der Leitung des Vizepräsidenten Jose Igreja Matos durch.
LITERATURE
Rezension «Dritte vollständig überarbeitete Auflage des St. Galler Kommentars»
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Der Beitrag beleuchtet ausgewählte Aspekte der Verfahrensgrundrechte und der korrespondierenden Organisationsbestimmungen in der Bundesverfassung, dies anhand von deren Darstellung im St. Galler Kommentar, der in einer dritten, vollständig überarbeiteten Auflage vorliegt.
Bibliografie zum Richterrecht – Update 33
Juria
Juria
Das 33. Update der Bibliografie enthält die seit der Ausgabe 2006/3 von «Justice - Justiz - Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätze im Themenbereich der Richterzeitung.