Liebe Leserinnen und Leser
«Wir hören nur, was wir hören wollen» – irgendwie ist das uns allen mehr oder weniger bewusst. Kaum jemand wird wohl aber darüber reflektiert haben, was dieser Umstand in Bezug auf unsere Tätigkeit als Richterin oder Richter bedeuten könnte. Dieser in erster Linie psychologischen, aber gleichzeitig auch sehr praxisrelevanten Frage geht der Beitrag von Mark Schweizer nach.
Revital Ludewig-Kedmi, Kathleen Weislehner und Evelyne Angehrn stellen Erkenntnisse aus dem von ihnen herausgegebenen Buch «Schweizer Richterinnen im Spiegel der Zeit» vor und zeigen auf, ob Richterinnen und Richter sich heute eher ähnlich sind oder sich unterscheiden, und welche berufsspezifischen Aspekte ihre Entscheidungen und Entscheidungsstile beeinflussen. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob Richterinnen eher fürsorgeorientiert bzw. einzelfallorientiert entscheiden und Richter eher einer regelorientierten Gerechtigkeitsmoral folgen. Wer hätte vermutet, dass es keinen Geschlechterunterschied gibt und Richter und Richterinnen gleichermassen versuchen, die Gewichtung beider Elemente vorzunehmen, also dem konkreten Einzelfall gerecht zu werden und gleichzeitig regelorientiert zu entscheiden?
Barbara Merz geht einem Thema nach, das für Richterinnen und Richter sowie Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber eine dauernde Herausforderung darstellt: Was ist bei der Redaktion von Urteilen zu beachten?
Das Interview mit Ständerat Pfisterer befasst sich mit der Kontrolle der Verfassungsmässigkeit von Parlamentsentscheiden. Ständerat Pfisterer schlägt vor, damit das Bundesamt für Justiz zu betrauen.
Mit dem für die Schweizer Justiz zentralen Verhältnis zwischen Legislative und Judikative befasst sich der Aufsatz von Ständerat Bruno Frick. Auch die Nachlese beschäftigt sich mit dem Thema, diesmal ausgehend vom Urteil des Bundesgerichts zum Obwaldner Steuertarif. Im Anschluss an dieses Urteil wurden in den Eidgenössischen Räten gleich zwei Interpellationen eingereicht, welche wir ebenfalls publizieren.
Ausführlich auf diese Fragen geht auch das Interview mit Alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay ein. Ein weiterer Schwerpunkt der Nachlese befasst sich mit einem in der Schweiz – zu Recht oder zu Unrecht? – bislang kaum beachteten Thema, der Korruption in der Justiz.
Abgerundet wird die aktuelle Ausgabe von «Justice – Justiz – Giustizia» mit Nachrichten unserer Korrespondentinnen und Korrespondenten aus den Kantonen, dem Ausland und diversen Vereinigungen. Speziell hinweisen möchten wir auf den Beitrag von Ernst Markel, der über eine aktuelle, nicht unproblematische Entwicklung in Österreich berichtet, sowie auf die Vorschau von David Werner auf den 2. Tag der Richterinnen und Richter vom kommenden 9. November 2007.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.
Anne Colliard, Stephan Gass, Regina Kiener, Hans Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli