Liebe Leserinnen und Leser

Wir freuen uns, Ihnen zum Jahresende wiederum eine vielfältige Ausgabe der Richterzeitung präsentieren zu können.

Stephan Bernard befasst sich in seinem Beitrag mit der richterlichen Ethik aus anwaltlicher Sicht. Darf ein Richter googeln? – Dieser Frage geht der Aufsatz von Roland Infanger insbesondere unter dem Aspekt der Gerichtsnotorietät nach. Andreas Lienhard und Peter Bieri nehmen den verschiedentlich erhobenen Vorwurf der Gerichtsschreiberjustiz auf und orten weiteren Forschungsbedarf. Matthieu Reeb beschreibt die Organisation und Funktionsweise des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) mit Sitz in Lausanne und zeigt aktuelle Herausforderungen auf. In der Besprechung von BGE 143 I 211 betreffend Richterwahlen im Kanton Solothurn üben Markus Schefer und Lukas Schaub vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Garantie der politischen Gleichheit gemäss Art. 34 BV Kritik. Die Arbeit von Paola Inselmini befasst sich mit anwaltsrechtlichen Standesregeln und Schlichtungsverfahren nach ZPO.

Der vormalige Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter (SVR), Roy Garré, vermittelt einen Überblick über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Vereinigung.

Über das alljährlich stattfindende Meeting der Permanent Study Group «Justice and Court Administration» der European Group for Public Administration (EGPA) berichtet Martin Schmied. Die Entscheidungsfindung in Kollegialgerichten ist Gegenstand eines weiteren Konferenzberichts (All Souls College Oxford) von Jakob Gleim.

Thomas Stadelmann verweist auf das Update des Universellen Richterstatuts der Internationalen Richtervereinigung (IAJ-UIM), wie es am 60. Jahreskongress in Santiago de Chile verabschiedet wurde. Stephan Gass weist auf ein Memorandum von 1’500 rumänischen Richterinnen und Richtern gegen eine geplante Justizreform hin, welche eine Schwächung der richterlichen Unabhängigkeit befürchten lässt. Im Weiteren macht Stephan Gass auf den Václav Havel Human Rights Prize des Europarats aufmerksam, mit welchem dieses Jahr der türkische Verfassungsrichter Murat Arslan ausgezeichnet wurde. Das Venice Commission Observatory stellt eine Auswahl internationaler Medienberichte über die Rechtsprechung von Verfassungsgerichten zur Verfügung.

Das 42. Update der Bibliografie enthält die aktuellsten Neuerungen zu den seit der Ausgabe 2006/4 von «Justice - Justiz - Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätzen im Themenbereich der Richterzeitung.

Mit dieser Ausgabe verabschieden wir a.Bundesrichter Pierre Zappelli aus dem Redaktionsteam. Pierre Zappelli war seit der ersten Ausgabe der Richterzeitung dabei und hat diese Zeitschrift massgeblich mitgeprägt. Für sein langjähriges Engagement danken wir ihm ganz herzlich! – Neu im Redaktionsteam begrüssen wir Annie Rochat Pauchard, Richterin am Bundesverwaltungsgericht. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Kollegin und danken ihr für die Bereitschaft zur Mitwirkung!

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und alles Gute zum Jahreswechsel!

Das Redaktionsteam: Stephan Gass, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Andreas Lienhard, Sonia Giamboni

Science
Darf ein Richter googeln?
Roland Infanger
Roland Infanger
Darf ein Richter googeln – insbesondere unter dem Aspekt der Gerichtsnotorietät? Die Kürzestantwort lautet: Ja, unter Beachtung bestimmter Leitlinien. Nachfolgend werden wichtige verfahrensrechtliche Fragen bei der richterlichen Internetrecherche erörtert und Leitlinien für den Umgang mit dem Internet präsentiert. Der Beitrag stellt einen Auszug aus der Abschlussarbeit des Autors im Rahmen des Zertifikatsstudiengangs «Judikative» 2015–2016 dar. Der besondere Dank des Autors gilt Dr. iur. Daniel Schwander, Oberrichter am Obergericht des Kantons Zürich, für seine wertvollen Inputs bei der Erstellung der Abschlussarbeit.
Gerichtsschreiberjustiz?
Andreas Lienhard
Andreas Lienhard
Peter Bieri
Peter Bieri
Die Justiz befindet sich im steten Wandel. Die Gerichte sehen sich mit höheren Fallzahlen und zunehmenden Effizienzforderungen konfrontiert. In diesem Zusammenhang berichtete unlängst die Tagespresse über die sogenannte Gerichtsschreiberjustiz am Bundesgericht und titelte «Was darf die Justiz kosten?» – Damit wurde ein wichtiges Thema aufgegriffen: Die zunehmende Bedeutung der Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber an den Gerichten in der Schweiz. Der nachfolgende Beitrag nimmt die Diskussion auf und weist auf weiteren Forschungsbedarf hin.
Le Tribunal Arbitral du Sport (TAS) en 2017
Matthieu Reeb
Matthieu Reeb
Le Tribunal Arbitral du Sport (TAS), dont le siège est à Lausanne/Suisse, est une institution indépendante au service du sport international. Il est appelé à trancher tout type de litiges juridiques dans le domaine du sport, dans des délais très brefs et à un coût réduit.
Privilegierte Kandidatur Bisheriger zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit?
Markus Schefer
Markus Schefer
Lukas Schaub
Lukas Schaub
In seinem bemerkenswerten Urteil BGE 143 I 211 setzt sich das Bundesgericht mit dem Verfahren der Richterwahlen im Kanton Solothurn auseinander. Das Gericht gelangt dabei zum Schluss, dass sich ein Wahlsystem, welches zum ersten Wahlgang nur bisherige Amtsträger zulässt, im Rahmen der kantonalen Organisationsautonomie bewegt. Dieser Entscheid ist in der Lehre positiv aufgenommen worden, verdient mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie der politischen Gleichheit nach Art. 34 BV aber auch Kritik.
Deontologia professionale e conciliazione
Paola Inselmini
Paola Inselmini
Das Schlichtungsverfahren gemäss der neuen, vereinheitlichten ZPO bezweckt die Förderung eines ernsthaften Dialogs zwischen den Parteien mit dem Ziel der Streitbeilegung. Das Verfahren soll deshalb einfach, informell und schnell sein. Die Praxis zeigt aber, dass dies nicht immer der Fall ist, sei es wegen der Komplexität des Konflikts, sei es wegen der Beteiligung von professionellen Interessenvertretern. Der Beitrag analysiert die Vor- und Nachteile dieses Nebeneinanders mit besonderem Augenmerk auf die Frage, was im Schlichtungsverfahren berechtigterweise von der anwaltlich vertretenen Partei erwartet werden darf.
Forum
Richterliche Ethik aus der Perspektive eines Anwalts
Stephan Bernard
Stephan Bernard
Der Beitrag wirft aus der anwaltlichen Aussensicht einen Blick auf die richterliche Ethik. Während der Autor bei der abstrakten Betrachtung der üblichen Richterethik-Postulate wenig Klärungsbedarf sieht, macht er in der konkreten Anwendung einige Stolpersteine aus. Insbesondere im Strafrecht liege einiges im Argen. Der Beitrag schliesst mit einem Appell an das künftig noch vermehrt geforderte Richterethos bei anstehenden Weichenstellungen im Strafrecht.
Kolumne SVR
L’Associazione svizzera dei magistrati (ASM) ieri, oggi, domani
Roy Garré
Roy Garré
Prendendo spunto dalla recente pubblicazione nella pagina internet dell’Associazione svizzera dei magistrati (ASM) della più recente storia dell’associazione a cura di David Werner, l’autore, dopo avere constatato la sua relativa giovane età rispetto ad altre associazioni in ambito giuridico, sottolinea l’importanza sempre maggiore che l’ASM ha assunto dal 1969 ad oggi ed indica alcune delle sfide che attualmente si delineano per il mondo della giustizia.
Associations
Update des Universellen Richterstatuts der Internationalen Vereinigung der Richter
Thomas Stadelmann
Thomas Stadelmann
Die Internationale Richtervereinigung IAJ-UIM hat an ihrem 60. Jahreskongress in Santiago de Chile am 14. November 2017 ein Update des Universellen Richterstatuts verabschiedet. Die erste Fassung des von der IAJ-UIM geschaffenen Richterstatuts datiert aus dem Jahre 1999 und konnte viele Themen noch nicht abdecken, die in den Folgejahren aktuell wurden. Das Update soll diese Themen aufgreifen und einen neuen weltweiten Mindeststandard festlegen.
Schweizerische Richtervereinigung wählt neuen Präsidenten und Vorstand
Juria
Juria
Anlässlich der 48. Generalversammlung vom 17. November 2017 in Luzern hat die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter einstimmig einen neuen Präsidenten und Vorstand für die nächste ordentliche Amtsdauer von vier Jahren gewählt.
Literature
Bibliografie zum Richterrecht – Update 42
Juria
Juria
Das 42. Update der Bibliografie enthält die seit der Ausgabe 2006/4 von «Justice - Justiz - Giustizia» veröffentlichten Monographien und Aufsätze im Themenbereich der Richterzeitung.
News abroad
Bericht über die EGPA Jahreskonferenz 2017 in Mailand
Martin Schmied
Martin Schmied
Ende August 2017 fand im Rahmen der Konferenz der European Group for Public Administration (EGPA) in Mailand das jährliche Meeting der Permanent Study Group «Justice and Court Administration» statt. Diese bietet eine interdisziplinäre Plattform zur breiten Diskussion über Justizverwaltung. Der folgende Bericht informiert über ausgewählte Präsentationen.
Counting Votes and Weighing Opinions: Collective Judging in Comparative Perspective
Jakob Gleim
Jakob Gleim
Zu dieser Konferenz, die gemeinsam von Wolfgang Ernst, Beate Gsell, Birke Häcker und Thomas Rüfner organisiert wurde, versammelte sich ein internationales Publikum im All Souls College Oxford, um sich während anderthalb Tagen Vorträge über die Entscheidungsfindung in Kollegialgerichten anzuhören und über das Thema zu diskutieren.
Memorandum von 1'500 rumänischen Richterinnen und Richtern gegen geplante Justizreform
Stephan Gass
Stephan Gass
Die Richterzeitung berichtet immer wieder über die Situation der Justiz in anderen Ländern. Deren Unabhängigkeit scheint keineswegs einen gesicherten Wert darzustellen, sondern kommt immer wieder unter Druck. Beispielhaft seien hier die Vorgänge in der Türkei, in Polen oder Ungarn, aber auch die Druckversuche in den USA erwähnt. Manchmal sind die Absicherungen de iure stark genug, diesen Druck auszuhalten, manchmal kann nicht mehr von einer unabhängigen Justiz gesprochen werden. Ein weiteres Beispiel für den Versuch der Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Justiz gibt das Memorandum von 1'500 rumänischen Magistraten, welches nachfolgend publiziert wird.
Václav Havel Human Rights Prize für Richter Murat Arslan
Stephan Gass
Stephan Gass
Murat Arslan, Präsident der türkischen Richtervereinigung YARSAV, erhält 2017 den 5. Václav Havel Human Rights Prize. Der türkische Richter wurde nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 inhaftiert und aus dem Richteramt «entlassen». Murat Arslan hat mutig und engagiert für die richterliche Unabhängigkeit in seinem Land gekämpft. Nun wird ihm der Prozess dafür gemacht.
Medienberichterstattungen über weltweite Verfassungsgerichtsbarkeit, die Justiz betreffend – Update 4
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Venice Commission Observatory (Bearbeitung/Auswahl: Juria)
Die nicht abschliessende Auswahl internationaler Medienberichte soll den Leser hinsichtlich der Rechtsprechung von Verfassungsgerichten im Aufgabenbereich der Justiz an sich informieren.