Liebe Leserinnen und Leser
Auch diese Ausgabe der «Justice - Justiz - Giustizia» 2016/2 behandelt wieder ganz unterschiedliche Themen, welche die Justiz betreffen oder die sie beschäftigen.
Judith Gibson legt dar, wie die Australischen Gerichte mit Social Media umgehen. Sie haben nicht nur Regelungen zur Kontrolle der Social Media in den Gerichtssälen eingeführt, sondern beginnen, selber Social Media zu verwenden. Die Autorin untersucht, wie dies das Verhältnis zwischen Justiz und Rechtsuchenden verändern könnte.
Ein interessantes Thema spricht Myriam Grütter an, wenn sie fragt, welches Schweizer Gericht sich schon einmal auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau berufen habe und welchem Richter, welcher Richterin dieses Übereinkommen überhaupt bekannt sei. Mit ihrer Besprechung des Kommentars von Erika Schläppi, Silvia Ulrich und Judith Wyttenbach zum CEDAW-Übereinkommen der Vereinten Nationen leistet sie einen wertvollen Beitrag dazu, diese Wissenslücke ein wenig zu schliessen.
Erneut aufgenommen wird das Gesetzgebungsprojekt zur Revision des Bundesgerichtsgesetzes von André Jomini in seiner «Kolumne der SVR-ASM». Nachdem den Änderungsvorschlägen von verschiedener Seite ein heftiger Gegenwind entgegen bläst, ist es interessant, die Überlegungen eines Richters einer höchsten kantonalen Instanz zu erfahren. Nicht ganz zu Unrecht weist er darauf hin – was die Kritik an den Änderungsvorschlägen wohl etwas zu wenig beachtet – dass heute (insbesondere auch mit den vereinheitlichten Prozessgesetzen) die erst- und zweitinstanzlichen kantonalen Gerichte bereits einen effektiven und kompletten Rechtsschutz gewährleisten.
Auch Mark Schweizer beschäftigt sich mit dem Bundesgericht. Mit dem provokanten Titel «Vom Umgang des Bundesgerichts mit steigender Geschäftslast – lieber schnell als sorgfältig?» analysiert er in seinem Beitrag die Erledigungsstrategien des Bundesgerichts. Ausgehend von der These, wenn sich bei steigender Geschäftslast weder Verfahren noch Kognitionstiefe einer Beschwerdeinstanz ändere, müsse die Verfahrensdauer zunehmen, stellt er fest, am Bundesgericht habe in den letzten 50 Jahren die Verfahrensdauer trotz stark gestiegener Geschäftslast nicht zugenommen. Dies deutet nach seiner Analyse darauf hin, dass das Bundesgericht die formellen Eintretensvoraussetzungen zunehmend verschärfe, um der Geschäftslast Herr zu werden.
Die beiden Beiträge von André Jomini und Mark Schweizer beleuchten eine ganz aktuelle Frage von verschiedenen Seiten und geben interessante Gedankenanstösse: Ist die heutige Zugangsregelung zum Bundesgericht tatsächlich noch sinnvoll und angebracht? Ist die Grundidee, dass (fast) jedermann seine Anliegen vor das Bundesgericht solle tragen können, noch zeitgemäss und sachgerecht? Oder sollten nicht – wie vom Bundesrat in Koordination mit dem Bundesgericht vorgeschlagen – Anpassungen erfolgen, welche dem Bundesgericht (wieder) die effektive Rolle eines Höchstgerichts zukommen lässt, das sich mit der notwendigen Kognitionstiefe mit den wesentlichen Fällen und Rechtsfragen beschäftigt und die einheitliche Rechtsanwendung in der Schweiz sicherstellt?
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
Das Redaktionsteam: Emanuela Epiney-Colombo, Stephan Gass, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli
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