Liebe Leserinnen und Leser
Derartige Verbindungen wären in demokratischen Ländern mit dualem Parteiensystem undenkbar. Dort liegt die Macht in den Händen einer einzigen Partei, einer einzigen politischen Richtung. Das helvetische System, welches die Wahl der Richter durch das Parlament auf Vorschlag der Parteien vorsieht, würde in diesen Ländern niemals die Unabhängigkeit der Justiz garantieren. Einzig in der Schweiz gibt die typisch schweizerische Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen politischen Richtungen auf Bundes- wie auch auf kantonaler Ebene dem System eine Existenzgrundlage. Das System ist aber nicht frei von Risiken, wie Ständerat Dick F. Marty direkt und ohne Umschweife in seinem Referat am Tag der Richterinnen und Richter, 3. November 2006, organisiert von der SVR, aufzeigt («Tentative de déstabilisation portées à l'image de la justice : que faire ?»).
Ein weiterer Beitrag widmet sich den Beziehungen zwischen der politischen Macht und der Judikative: Es sind die materiellen und finanziellen Mittel, die die politische Macht der Judikative zur Verfügung stellt, damit diese ihre Aufgaben erfüllen kann. Die Beherrschung der Verteilung dieser Mittel ist eine subtile Form, sich die Kontrolle über die Justiz zu sichern. Eine zu karge Zuteilung dieser Mittel – die Judikative erhält in demokratischen Ländern selten mehr als 1-2 % des Staatsbudgets – beeinflusst die Qualität und Schnelligkeit der Judikative. In Deutschland wie in der Schweiz geht die Tendenz unter allgemeinem Spardruck dahin, die Zahl der Richter zu reduzieren. Dies trotz stetiger Zunahme der Streitsachen. Wolfgang Eißer, Präsident des Landsgerichts Waldhut-Tiengen, nimmt sich diesem Thema in seinem Referat «Ressourcenverknappung in der Justiz: Möglichkeiten und Grenzen der Problemlösung», gehalten am Tag der Richterinnen und Richter an.
Diese beiden Beiträge zur Frage der Unabhängigkeit der Richter stellen so etwas wie den zweiten Teil der vorgängigen Schwerpunkt-Ausgabe (2006/2) dar. Es ist eine Fortsetzung, aber sicher noch nicht das Ende, denn der Kampf für die Unabhängigkeit der Judikative und deren Verteidigung ist sogar in unserem «friedlichen» Land ein ewiger.