Justice - Justiz - Giustizia

Offenlegen von Minderheitsmeinungen («dissenting opinion») – eine Forderung von Transparenz und Fairness im gerichtlichen Verfahren

  • Autor/Autorin: Arnold Marti
  • Zitiervorschlag: Arnold Marti, Offenlegen von Minderheitsmeinungen («dissenting opinion») – eine Forderung von Transparenz und Fairness im gerichtlichen Verfahren , in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2012/4
In der Schweiz gibt es eine ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition öffentlicher Urteilsberatung namentlich an oberen Gerichten, welche aber in den letzten Jahren zum Teil eingeschränkt oder gar aufgegeben wurde. Ein alternatives Instrument zur Herstellung von Transparenz in der Rechtsprechung bildet die Offenlegung von Minderheitsmeinungen, welche in der Schweiz bisher nur in wenigen Kantonen vorgesehen ist. Der Autor geht den unterschiedlichen Wurzeln und Ausgestaltungen dieses Instruments im In- und Ausland nach, stellt die Gründe für und gegen die Publikation von Minderheitsmeinungen bei den Gerichten vor und schlägt aufgrund einer positiven Beurteilung die allgemeine Einführung dieses Instruments in gemässigter Form (namentlich durch Hinweis auf Minderheitsmeinungen in der Urteilsbegründung) vor.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Vorkommen des Instituts; unterschiedliche Systeme und Begriffe
  • 2.1. Common-Law-Länder
  • 2.2. Kontinentaleuropa
  • 2.2.1. Beratungsgeheimnis und Kollegialprinzip als Regel
  • 2.2.2. Ausnahmen und besondere Regelungen (Minderheitsmeinungen; Sondervoten)
  • 2.2.2.1. Schweiz
  • 2.2.2.1.1. Kanton Zürich: Sukzessiver Ausbau von der Protokollnotiz zur publizierten Minderheitsmeinung
  • 2.2.2.1.2. Kanton Schaffhausen: Von der Protokollerklärung zum Begründungseinbau auf dem Wege der Praxis
  • 2.2.2.1.3. Kanton Thurgau: Gescheiterter Ausbau einer Verantwortlichkeitsregelung zum Recht auf «dissenting opinion»
  • 2.2.2.1.4. Kanton Aargau: relativiertes Begründungserfordernis im Interesse des Rechtsschutzes
  • 2.2.2.1.5. Kanton Luzern: Wieder aufgegebene Möglichkeit der Aufnahme einer Minderheitsbegründung im Zivilprozess
  • 2.2.2.1.6. Höhepunkt in der Romandie: verfassungsmässiges Recht der Gerichtsminderheit am Kantonsgericht Waadt
  • 2.2.2.2. Benachbarte Länder und Rechtskreise
  • 2.3. Internationale Gerichte; Schiedsgerichte
  • 3. Beurteilung der «dissenting opinion»-Systeme
  • 3.1. Allgemeine Beurteilung
  • 3.1.1. Grundsatzargumente für ein solches System
  • 3.1.1.1. Doppelnatur der Rechtsprechungstätigkeit
  • 3.1.1.2. Besondere Transparenzanforderungen bei der Rechtsfortbildung
  • 3.1.1.3. Transparenzbedürfnis auch bei reiner Rechtsanwendung
  • 3.1.2. Positive Nebenwirkungen
  • 3.1.2.1. Erleichterung der Rechtsfortbildung
  • 3.1.2.2. Qualitätsförderung bei der Entscheidfindung
  • 3.1.2.3. Bessere Voraussehbarkeit von Rechtsprechungsänderungen
  • 3.1.3. Gegenargumente
  • 3.1.3.1. Schwächung der Autorität von Gericht und Gerichtsurteilen
  • 3.1.3.2. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit und unnötiger Mehraufwand
  • 3.2. Beurteilung der einzelnen Ausgestaltungen (Haupttypen)
  • 3.2.1. Persönlich formuliertes Sondervotum als Urteilsbestandteil
  • 3.2.2. Hinweis auf die Minderheitsmeinung in der Urteilsbegründung
  • 3.2.3. Blosse Protokollerklärung
  • 4. Detailfragen
  • 4.1. Auf welche Fragen sollen sich die Minderheitsmeinungen beziehen können?
  • 4.2. Welchen Gerichtspersonen soll die Bekanntgabe von Minderheitsmeinungen zustehen?
  • 4.3. In welcher Form soll eine «dissenting opinion»- Regelung erfolgen?
  • 5. Schlussbemerkungen